PM-Methodik
|Agiles Produktmanagement
Warum Agilität auch für Produktmanager von Industrieprodukten entscheidend ist
Ein Beitrag von Thomas Bauch, Geschäftsführer, Trainer und Berater

Die Industrie befindet sich in einem schnellen Wandel, geprägt von Digitalisierung, Individualisierung und Nachhaltigkeit. Globale Konkurrenz, komplexe Märkte und sich rasch ändernde Kundenanforderungen erfordern flexible und iterative Ansätze. Agile Methoden sind entscheidend, um diese Herausforderungen zu meistern: Kontinuierliches Feedback hilft, kundenindividuelle Bedürfnisse zu verstehen und Mehrwert zu schaffen. Interdisziplinäre Teams fördern die Integration von physischen und digitalen Produkten, unterstützt durch Technologien wie IoT und KI. Mit dem Minimal Viable Product-Ansatz lassen sich Risiken minimieren und die Time-to-Market verkürzen, was Unternehmen Wettbewerbsvorteile bietet.
Oft werden agile Methoden nur mit Software-Entwicklung verbunden, doch ihre Prinzipien sind universell: Sie lassen sich auf physische Produkte, Vermarktungsstrategien und Geschäftsmodelle anwenden. So bildet Agilität die Grundlage für modernes Produktmanagement auch in Industrie und B2B.
Agiles Produktmanagement vs. Klassisches Produktmanagement
Wie unterscheidet sich das agile Produktmanagement vom „klassischen“ Produktmanagement? Der Unterschied liegt vor allem in der Flexibilität und in der iterativen Herangehensweise. Klassisches Produktmanagement setzt überwiegend auf Vorhersagbarkeit, während agiles Produktmanagement Unsicherheiten als Chance nutzt, um kundenorientierter und effizienter zu werden.
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Agilität an sich hat keinen Selbstzweck
Agilität ist gekommen, um zu bleiben. Als das Thema Anfang der 2000er Jahre sichtbar wurde, war es zunächst ein Hype-Thema. Irgendwelche Freaks im Bereich Software-Entwicklung haben erkannt, dass es schlauer sein könnte, die Parameter des magischen Dreiecks Qualität-Kosten-Zeit anders zu fixieren: Statt eine Gesamtprojekt-Laufzeit zu fixieren, wurden kurze Entwicklungssprints mit überschaubaren Ziel-Ergebnissen eingeführt. Und sie sollten Recht behalten. So gut wie jedes Software-Entwicklungsteam arbeitet heute nach agilen Prinzipien wie SCRUM. Die Flexibilität, schnelle Veränderbarkeit und die Immaterialität von Software ist perfekt für diesen Ansatz geeignet.
Doch in dem Moment, in dem Systeme deutlich komplexer werden und insbesondere auch physische Güter betroffen sind, wird auch die Methodenwelt der Agilität komplexer: Im Bereich der Software-Entwicklung wurden zusätzliche Frameworks (e.g. SAFe) entwickelt, und wenn es um Software- und Hardware geht, wurden hybride Ansätze entwickelt, und die Vorteile der Agilität zu nutzen, aber dennoch die nötige Struktur bereitzustellen, um die Komplexität handhabbar zu halten.
Dies macht aber auch deutlich, dass Agilität an sich keinen Selbstzweck hat. Agile Methoden helfen dabei, mit hoher Unsicherheit und Dynamik umzugehen. Sind die Rahmenbedingungen jedoch klar und weitgehend vorhersagbar, sind agile Methoden schnell Zeitverschwendung und der klassische Ansatz ist deutlich effizienter. Bewegt man sich dagegen im Umfeld mit großer Unsicherheit, greift der klassische Ansatz schnell ins Leere und es bedarf eines explorativen und agilen Ansatzes.
Dies Erkenntnis können wir auch auf das Produktmanagement übertragen: Die folgende Tabelle zeigt einen Vergleich verschiedener Aspekte des klassischen und agilen Produktmanagements.
Vergleich klassisches vs. agiles Produktmanagement
Aspekt | Klassisches Produktmanagement | Agiles Produktmanagement |
Planung | Langfristige, lineare Planung mit festen Meilensteinen | Iterative Planung in kurzen Zyklen (z. B. Sprints) |
Flexibilität | Änderungen sind aufwendig und werden eher vermieden | Änderungen werden begrüßt und flexibel integriert |
Fokus | Umfangreiche Vorab-Analyse und -Spezifikation | Schnelles Liefern von Ergebnistypen und Inkrementen zur Validierung |
Zielsetzung | Erfüllung eines einmal definierten Endziels | Anpassung der Ziele basierend auf Feedback und neuen Erkenntnissen |
Prozesse | Wasserfall-Ansatz, lineare Phasen (z. B. Konzeption, Entwicklung, Markteinführung), hohe Prozess-Effizienz | Agile Methoden wie Scrum oder Kanban, iterative und inkrementelle Prozesse |
Kundenorientierung | Kundenfeedback wird vorwiegend in der Planungs- oder Nachbearbeitungsphase berücksichtigt | Kundenfeedback wird kontinuierlich in den Entwicklungsprozess integriert |
Rollen | Starke Trennung zwischen Management und Umsetzung | Enge Zusammenarbeit zwischen Produktmanager, Team und Stakeholdern |
Risiken | Hohe Risiken durch langfristige Festlegung von Anforderungen | Geringere Risiken durch regelmäßiges Testen und Anpassungen |
Die Lösung: Situatives Produktmanagement
Es stellt sich damit also weniger die Frage, ob nun klassisches oder agiles Produktmanagement besser ist, sondern eher, wann man welchen Ansatz wählt. Dies lässt schnell Parallelen zum sogenannten Situativen Führungsstil erkennen, die heute als „Stand der Technik“ gesehen werden kann: Situative Führung ist ein Führungsstil, der sich flexibel an die Bedürfnisse der Mitarbeitenden und die jeweilige Situation anpasst. Dabei wird die Art der Führung individuell darauf abgestimmt, wie kompetent und motiviert eine Person oder ein Team in Bezug auf eine bestimmte Aufgabe ist. Das Konzept basiert darauf, dass nicht ein einziger Führungsstil für alle Mitarbeitenden oder Situationen optimal ist, sondern die Führung dynamisch gestaltet werden sollte.
Genau dies braucht es auch im Produktmanagement: Ein guter Produktmanager erkennt die Produkt-Markt-Situation und passt entsprechend seine Vorgehensweise an. Der Übergang zwischen klassischem und agilem Produktmanagement ist dabei fließend und resultiert im „Situativen Produktmanagement“.
Die Prinzipien des agilen Produktmanagements
Kommen wir nochmals zurück zum Agilen Produktmanagement und die zugrunde liegenden Werte und Prinzipien: Diese leiten sich aus dem Agilen Manifest ab und sind speziell auf die Bedürfnisse von Produktteams ausgerichtet. Sie stellen sicher, dass Produkte kundenorientiert, flexibel und effizient entwickelt und vermarktet werden. Hier sind die wichtigsten Prinzipien, deren Nutzen, aber auch Herausforderungen:
1. Kundenzentrierung
2. Iteratives und inkrementelles Vorgehen
3. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit
4. Zusammenarbeit und Transparenz
5. Schnelle wertvolle Ergebnisse statt umfangreicher Dokumentation
6. Experimentieren und Lernen
7. Empowerment und Eigenverantwortung
Ausführlicher beschrieben findest du die Prinzipien des agilen Produktmanagements in unserem Whitepaper.
Unser Fazit zum Agilen Produktmanagement:
Agiles Produktmanagement bedeutet, die Prinzipien des Agilen Manifests auf das Wirkungsfeld des Produktmanagements anzuwenden. Im Gegensatz zur Agilen Produktentwicklung betrachtet das Agile Produktmanagement nicht nur die Produktentwicklungsphase, sondern den gesamten Produktlebenszyklus, als auch das übergeordnete Produktportfolio-Management. Die agilen Methoden helfen dabei, mit hoher Unsicherheit und Dynamik umzugehen. Sie stellen sicher, dass Produkte kundenorientiert, flexibel und effizient entwickelt und vermarktet werden. Die Prinzipien des Agilen Produktmanagements versprechen uns, dass Produkte und die dazu nötigen Geschäftsbedingungen kundenorientiert, flexibel und effizient entwickelt und vermarktet werden. Die Anwendung dieser Prinzipien erfordert jedoch zum Teil auch eine Anpassung der Unternehmens- und Führungskultur, was eine Herausforderung darstellen kann.
Nachdem jedoch Agilität an sich keinem Selbstzweck folgt, empfehlen wir ähnlich dem Ansatz des Situativen Führungsstils den Gedanken des Situativen Produktmanagements: Je nachdem, ob man sich in einer blauen (gute Planbarkeit) oder roten Welt (hohe Unsicherheit) bewegt, sollte man die Ansätze des klassischen oder agilen Produktmanagements einsetzen. Es geht also nicht darum, klassische Produktmanagement-Methoden über Bord zu werfen, sondern den Werkzeugkoffer des Produktmanagers um agile Methoden zu erweitern. In diesem Sinne haben Agiles Produktmanagement und Business Development gemeinsam, zunächst mit erhöhter Unsicherheit und Dynamik umgehen zu können und bei zunehmender Planbarkeit und Sicherheit das Geschäft in den effizienteren Regelbetrieb zu bringen.

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Quellen:
Das 3-Horizonte-Modell (Three Horizons Framework) stammt ursprünglich von Merhdad Baghai, Stephen Coley und David White, den Autoren des Buches The Alchemy of Growth (1999). Das Modell wurde von der Unternehmensberatung McKinsey & Company entwickelt und populär gemacht.
Das Konzept der blauen und roten Welt stammt von Niels Pfläging und Silke Hermann. Sie haben es in ihrem Buch „Komplexithoden: Clevere Wege zur (Wieder)Belebung von Unternehmen und Arbeit in Komplexität“ (2015) vorgestellt.
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